franz im glück oder:
ode an beckenbauer

so glücklich wie ich
dachte er gibt es keinen
menschen unter der
sonne er tauschte die
scherben der strassen
gegen das leder den
ball sein gold am fuss
gegen das gold in den
zum olympischen dach
gestreckten händen
tauschte die goldenen
augenblicke der
einsamkeit
des römischen rasens
gegen das späte blutgold
das die brust ausgoss
als blei für die zeit
die ihm blieb tauschte
den goldjungen gegen
den greis der älter werden
musste als sein sohn und
wünschte sich er hätte
nicht die lichtgestalt gegen
den schattenmann nicht den
witz gegen das schweigen
tauschen müssen als er
noch spielte und glänzte
war alles noch im fluss
der glieder gold am ende
blieben im sieb nur steine
für den letzten tausch
wenn sie in den brunnen
fallen und das glück zurück
kehrt mit einem herzen
so leicht dass es wie ein
ball durch alle wolken
hindurch in den himmel
zur sonne steigt und er
uns so in erinnerung
bleibt




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Foto: Bayerische Staatskanzlei

Verleihung des Bayerischen Verdienstordens am 13. Oktober 2022
an Albert Ostermaier 


Albert Ostermaier lebt als freier Schriftsteller in München und hat mittlerweile ein umfangreiches Werk geschaffen. Mit der Uraufführung seines ersten Theaterstücks „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“ am Bayerischen Staatsschauspiel gelang ihm in den Neunziger Jahren der Durchbruch. Mittlerweile sind zahlreiche seiner Stücke von bedeutenden Regisseuren auf die Bühne gebracht worden. Neben den Theaterstücken haben auch seine Gedichte, Romane und Hörspiele ein geneigtes Publikum gefunden. Mit zahlreichen Literaturpreisen geehrt, ist Albert Ostermaier einer der bedeutendsten Vertreter des literarischen Lebens in Bayern.

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“Verstörungen” - Ein Fest für Thomas Bernhard
21. - 25. 09. 2022


Und wieder tauchen die Schatten auf - Thomas Bernhard und der Krieg.

“(...)Dass man ein "internationales Festival" sein wolle, dass man neben der Literatur auch "Bezüge zu gesellschaftspolitischen Themen verhandeln" wolle, wie das Kurator Albert Ostermaier sagt, war nie stärker zu bemerken als heuer. "Es geht darum, den Blick zu öffnen", sagt Ostermaier. Und wer heute in die Welt hinaussehe, sehe eben Krieg.(...)”(Bernhard Flieher, Salzburger Nachrichten, 25.09.2022)

  Foto:  Ruth Habart
                                           

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der hinterkopf

oder:
ode an uns uwe


als könnte er keiner
fliege von verteidiger
ein haar krümmen
schraubte er sich in
seinen schatten in
die fallhöhe des volkes
helden da schauten alle
noch irritiert in die
falsche richtung seiner
nase folgend als sein
hinterkopf den ball bog
in den mexikanischen  
himmel als wäre es ein
heimspiel blähte sich
das blaue netz im jubel
der blieb
in aller bescheidenheit
biss er sich durch liess
die überheblichen wie
stangen stehen und war
immer schon weiter ohne
je weggegangen zu sein
eine ehrliche neun statt inter
integer stieg er auf wie
es keiner mehr kann nahm
seine bodenständigkeit mit
in die luft dort wo sie dünn
wird und nur die grossen
sie noch atmen können der
michel und er daran dass
gott ihm noch einen titel  
schuldig ist wird er ihn
jetzt da er die linie überschritt
mit einem lächeln erinnern


***



Nach Kiew
für jurij


du kriegst den krieg
nicht aus dem kopf
die kugel im herzen
durchschlägt die wände
der häuser der freunde
die es trifft mit dem
leben durch die haut
während du nur betroffen
bist und bleibst zuhause
in deiner betroffenheit
in deinem safe space
mit genügend raum für
deine panik die attacken
nach den bildern den
anrufen und rufen nach
mutiger hilfe die du und
wir verweigern unseren
frieden zu haben den sie
verteidigen an der front
unserer gewissenlosigkeit die
armeen unserer freiwilligen
sind worte wie diese waffen
ohne soldaten sie auf den
feind zu richten von dem
wir sagen er richtet sie
auch gegen unsere freiheit
die wir uns nehmen dass ihr
für sie sterben könnt mit ihr
was kann ich tun
wie schnell wird diese frage
vergangenheit sein
der konjunktiv II
unserer demokratie ich
lese tschechow bis mir
die tränen kommen wer
zu spät kommt der bestraft das
leben mit dem tod die panzer
rollen und die zeit läuft und
läuft und läuft und läuft läuft bis
sie abgelaufen ist
jetzt


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November 2021

RAISE YOUR VOICE - Gruppe 2020

Tagung und Lange Nacht der Literatur 18.-20.11.2021 in Nürnberg


“Lange Nacht der Literatur” 20.11.2021   (Foto: Ludwig Olah)



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Kultur während und nach der Krise
Übertragung vom 16.03.2021

Parlamentarischer Kulturabend mit Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt,
Erhard Grundl, Kirsten Kappert-Gonther, Jasmin Tabatabai,
Pierre Baigorry (Seeed), Albert Ostermaier, Igor Levit,
Christiane Rösinger, Ilgen-Nur, Mirna Funk, u.a.

https://www.youtube.com/watch?v=SscdMQRPx0g

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Bühne frei oder: Die Zukunft des Theaters

von Albert Ostermaier
mit Franziska Hackl, Robert Dölle und Albert Ostermaier

Video




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Grüße Grüße 

von Albert Ostermaier und Friedrich Ani

für Raimund Fellinger
er lebte mit dem bleistift

der text war sein körper
die haut das herz ein buch
 
das er seine autoren
vollschreiben liess mit
ihren gebieten und nahm
ihnen mit seiner korrektur
die angst er war ein
geher zwischen
den zeilen las spuren
und alle schatten auf er
konnte lesen wie es
keiner mehr kann
atmete buchstaben
holte aus ihnen die zweite
luft striche waren seine
sätze die er uns mitgab
er ist die stimme
beim schreiben ich
werde weiter auf ihn hören
und vielleicht zündet er
jetzt nach all den jahren
sich eine gitanes an und
schüttelt leicht den kopf
grüss, grüsse waren stets
seine abschiedsworte jetzt
geht er weiter im text
sein leben unser roman,
meiner, scheint mir
heute mehr als je,  begann
mit seinem ersten
bleistiftstrich,  er strich
nichts durch, berührte
bloß den saum des
satzes, behutsam wie die
finger der künstlerin heilige saiten, ha!,
heilig, herr a.?
gestrichen! und ausrufezeichen
zerschellten an deinem
stift, ach,  und: duzen
durften dich wenige, du?
lass uns Sie
sagen und von vorn
beginnen




interpunktion 


was spricht dich
gesund ein wort
steckt das andere an
bis es in klammern
steht der doppelpunkt
isoliert ich lebe
in anführungszeichen
das komma wartet
alleine was kommt
das du oder die
quarantäne drei
punkte am ende
jedes satzes nach vorne





Ideentheater 


man hat keine idee
eine idee hat einen
sie fällt ein überfällt alle
gedanken fällt auf den
boden der tatsachen
aber steht wieder auf
steht auf träumt sich in
die wirklichkeit hält
stand gegen den wind
die zweifel gibt nicht auf
nimmt ihren lauf rennt
gegen alle einwände die
wände sturm mit dem kopf
was keiner gewagt hat zu
denken das unglaubliche
zu glauben für das unerhörte
jetzt alles
überhören nur auf sein herz
hören es fassen da es schlägt
voran keine idee wie ohne
eine idee zu leben den blanken
schimmer was bildest du dir
ein das vorstellbare für das man
bar bezahlt die idee vor die
man ich du sich stellt der man
den rücken stärkt mit flügeln
und einem segel vor der stirn
der brust für den zweiten atem
die dritten luft befeuert aus
der asche die flamme jeden
zu entflammen mit einem wort
einem satz über alles trennende
hinweg der horizont dort der sich
krümmt wie ein stab vor dem
sprung über die latte die nicht
hoch genug hängen kann spring auf
herz und augenhöhe leben lieben
die idee das alles möglich ist was
nach der frage deine antwort ist
die widersprüche für den zuspruch
rüsten sich nichts absprechen und
ausreden wir schaffen das lass
die ideen einander eine szene
nach der anderen machen bis
alles theater ist ein theater der
ideen und die welt eine bühne
wo du dürfen darfst und alles
ausprobieren bis es notwendig ist
und der blick wechselt im augenblick
denn nur wo er spielt ist der
mensch ganz mensch du ein
gedicht das sich weiterspricht eine
welle die bricht aber dich nicht
weil sie dich auf ihre schäumenden
schultern nimmt und trägt die idee
bis sie uns alle erfasst der mut sie
wahr werden zu lassen bis sie frei
ist